Das Bundeskabinett hat mit den Änderungen des
Bilanzrechtsreformgesetzes und des Bilanzkontrollgesetzes zwei
wichtige Vorhaben auf den Weg gebracht. Die Gesetze dienen der
Umsetzung des am 25. Februar 2003 vorgestellten
Maßnahmenkatalogs zur Stärkung der Unternehmensintegrität und
des Anlegerschutzes.
Die Bundesregierung verfolgt mit den am 21. April 2001
verabschiedeten Gesetzesentwürfen das Ziel, den Kapitalmarkt und
die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes
Deutschland weiter zu stärken. Unternehmensskandale im In- und
Ausland haben nicht nur das Vertrauen der Anleger in die
Richtigkeit wichtiger Kapitalmarktinformationen einzelner
Unternehmen, sondern auch das Vertrauen in die Integrität und
Stabilität des gesamten Marktes und damit die Glaubwürdigkeit
des Finanzplatzes erschüttert.
Bilanzrechtsreform
Die Änderungen der Bilanzrechtsreform sollen allen
Unternehmen die Anwendung internationaler
Rechnungslegungsstandards ermöglichen. Gleichzeitig soll
verhindert werden, dass Wirtschaftsprüfer sowohl den
Jahresabschluss und damit unter Umständen eigene vorher
gegenüber dem Unternehmen erbrachte Leistungen selbst überprüfen
müssen. Für kleine und mittlere Unternehmen bedeutet die
Anhebung des Schwellenwertgrenze, die der Unterscheidung
zwischen kleinen, mittleren und großen Unternehmen dient,
Kostenersparnis und Bürokratieabbau.
* Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards
Das Bilanzrechtsreformgesetz beinhaltet ergänzende nationale
Bestimmungen zu der auf europäischer Ebene beschlossenen
Einführung internationaler, transparenter
Rechnungslegungsstandards (International Accounting Standards -
IAS / International Financial Reporting Standards - IFRS).
Der vorliegende Gesetzentwurf gibt den Unternehmen nunmehr
auch in den übrigen Bereichen (Konzernabschluss der
Nicht-Kapitalmarktunternehmen, Einzelabschluss) Wahlrechte zur
IAS-Anwendung. Das kann zum Beispiel für solche Unternehmen von
Interesse sein, die sich auf den Gang an die Börse vorbereiten.
Die Unternehmen werden damit in die Lage versetzt, sich ihren
Geschäftspartnern mit einem auf Informationszwecke
zugeschnittenen, international "lesbaren" Abschluss zu
präsentieren.
Da eine IAS-Bilanzierung nicht in jedem Fall zwingend
vorgeschrieben wird, können die Unternehmen ihre Entscheidung
somit unter Berücksichtigung der jeweiligen Interessen und der
Belange der Bilanzadressaten selbst treffen. In der derzeitigen
Übergangsphase sind diese Regelungen aufgrund der Wahlrechte
hinreichend flexibel, um die betroffenen Wirtschaftskreise nicht
zu überfordern.
* Stärkung der Abschlussprüfung
Ein Kernanliegen des Bilanzrechtsreformgesetzes ist die
Eingrenzung und Präzisierung derjenigen Tätigkeiten, die ein
Wirtschaftsprüfer - wenn er als Prüfer des Jahresabschlusses
tätig ist - zusätzlich noch für das geprüfte Unternehmen
erbringen darf. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass ein
unabhängiger Abschlussprüfer nicht gleichzeitig als
Interessenvertreter des zu prüfenden Unternehmens tätig sein
sollte und auch nicht in die Situation geraten darf, im Rahmen
der Prüfung das Produkt eigener vorangegangener Dienstleistungen
nochmals bewerten zu müssen.
Die Regelungsvorschläge orientieren sich an der
internationalen Diskussion, europäischen Empfehlungen sowie an
einem aktuellen Vorschlag der EU-Kommission für eine
Novellierung der sogenannte Abschlussprüferrichtlinie.
Der Gesetzentwurf ist dabei nach dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit konzipiert: Einerseits stellt er hohe
Anforderungen an die Prüfung von Unternehmen, die Wertpapiere
ausgegeben haben, sowie von Kreditinstituten und
Versicherungsunternehmen. Andererseits behält er auch die
Belange mittelständischer Wirtschaftsprüfungspraxen im Auge, die
im Regelfall keine kapitalmarktorientierten Unternehmen oder
Finanzdienstleister prüfen.
* Erleichterungen für kleine und mittlere Unternehmen
Mit dem Gesetzentwurf wird unter anderem die sog.
Schwellenwert-Richtlinie der EU umgesetzt. Die in § 267 des
Handelsgesetzbuchs genannten Schwellenwerte (Bilanzsumme und
Umsatzerlöse) zur Abgrenzung zwischen kleinen, mittleren und
großen Unternehmen sollen um etwa ein Sechstel angehoben werden.
Schon ab 2004 werden deshalb mehr Unternehmen in die Kategorie
der kleinen und der mittleren Gesellschaften fallen.
Das bedeutet für diese Unternehmen Bürokratieabbau und
Kostenersparnis, weil sie zum Beispiel als kleine Gesellschaften
von der Verpflichtung befreit sind, einen Lagebericht
aufzustellen oder ihre Abschlüsse von einem Wirtschaftsprüfer
prüfen zu lassen, und als mittlere Gesellschaften auf die
kostenpflichtige Bekanntmachung ihrer Abschlussunterlagen im
Bundesanzeiger verzichten können.
Bilanzkontrollgesetz
Das Bilanzkontrollgesetz soll Unregelmäßigkeiten bei der
Erstellung von Unternehmensberichten präventiv entgegenwirken.
Dies geschieht zunächst durch eine von den Bundesministerien der
Justiz und der Finanzen benannte privatrechtliche Prüfstelle.
Verweigern die Unternehmen die Zusammenarbeit kann die
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die Prüfung
gegebenenfalls hoheitlich durchsetzen und die Veröffentlichung
von Rechnungslegungsfehlern erzwingen. Gegenwärtig umfasst das
deutsche System zur Durchsetzung der
Rechnungslegungsvorschriften im Wesentlichen die Prüfung der
Jahres- und Konzernabschlüsse durch den Abschlussprüfer und den
Aufsichtsrat. Darüber hinaus bestehen aktienrechtliche
Vorschriften zur Nichtigkeit von Jahresabschlüssen sowie Straf-
und Sanktionsvorschriften. Ein von staatlicher Seite
beauftragtes Gremium, das - neben Abschlussprüfer und
Aufsichtsrat - regelmäßig die Richtigkeit der
Unternehmensberichte kapitalmarktorientierter Unternehmen prüft,
existiert in Deutschland bislang noch nicht.
Enforcement
Mit dem Bilanzkontrollgesetz schafft die Bundesregierung
Rechtsgrundlagen für ein neues Bilanzkontrollverfahren,
international auch als Enforcement bezeichnet. Das
Enforcement-Verfahren wird zweistufig ausgestaltet.
Erste Stufe
Auf der ersten Stufe prüft eine vom Bundesministerium der
Justiz und dem Bundesministerium der Finanzen beauftragte
privatrechtliche Prüfstelle die Rechnungslegung
kapitalmarktorientierter Unternehmen. Sie wird bei konkretem
Verdacht auf Bilanzfehler und im Wege von Stichprobenprüfungen
tätig werden. Ziel ist es, auf der Basis freiwilliger Mitwirkung
des Unternehmens zu prüfen, ob die Rechnungslegungsvorschriften
eingehalten wurden. Bilanzfehler sollen gegebenenfalls
veröffentlicht werden.
Zweite Stufe
Ist das Unternehmen nicht freiwillig zur Mitwirkung bei der
Prüfung bereit oder akzeptiert es das Prüfungsergebnis der
Prüfstelle nicht, wird die Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht auf der zweiten Stufe eingreifen.
Sie erhält die Befugnis, die Prüfung gegebenenfalls mit
hoheitlichen Mitteln durchzusetzen und das Unternehmen zur
Veröffentlichung festgestellter Rechnungslegungsfehler zu
verpflichten.
Angebot der Selbstregulierung
Mit dem Gesetzentwurf ist das Angebot an die Wirtschaft
verbunden, sich beim Aufbau einer privaten Prüfstelle zu
engagieren und im Wege der Selbstregulierung für die
Durchsetzung der Rechnungslegungsvorschriften zu sorgen. Wo dies
im Einzelfall nicht gelingt, wird der Staat mit hoheitlichen
Mitteln tätig werden.
Das Wichtigste in Kürze:
Der Kapitalmarkt und der internationale Finanzplatz
Deutschland können nur weiter gestärkt werden, wenn das
Vertrauen der Anleger in die Richtigkleit der
Kapitalmarktinformationen der Unternehmen wiederhergestellt
werden kann. Dies soll durch die Anwendung internationaler
Rechnungslegungsstandards geschene, die die Abschlüsse deutscher
Unternehmen international lesbar machen. Die Unabhängigkeit der
Abschlussprüfung wird gestärkt und Unregelmäßigkeiten bei der
Erstellung von Unternehmensberichten soll präventiv in
Zusammenarbeit mit der Wirtschaft entgegengewirkt werden.