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In Hessen wird die obligatorische Streitschlichtung eingeführt. 

Hessisches Justizministerium, Pressemeldung vom 12.09.2000  

  

 

   

   

Wiesbaden. - Das Land Hessen wird für bestimmte Streitigkeiten die obligatorische außergerichtliche Streitschlichtung einführen, ohne deren Versuch zukünftig kein Verfahren vor den Amtsgerichten beginnen kann. Das hessische Kabinett beschloss an diesem Dienstag nach der Anhörung der Verbände, den entsprechenden Gesetzentwurf vom Mai 2000 in das Gesetzgebungsverfahren in den Hessischen Landtag einzubringen. Es kann davon ausgegangen werden, dass das Gesetz im ersten Halbjahr 2001 in Kraft tritt. 

Nach dem Entwurf wird für alle Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von 1.200,--DM, Nachbarstreitigkeiten sowie Verletzungen der persönlichen Ehre (Beleidigungen etc.), soweit es keine Pressedelikte sind, eine Streitschlichtung Pflicht, bevor die Klage beim Amtsgericht eingereicht werden kann. Schlichtungsstellen sollen insbesondere die rund 730 Schiedsämter werden, aber auch juristische Personen (etwa Industrie- und Handelskammern [IHK], Anwaltskammern, Verbraucherverbände etc.) sowie natürliche Personen (Rechtsanwälte und Notare) können ihre Anerkennung als Gütestelle beantragen. 

„Mit der Schaffung der obligatorischen Schlichtung geben wir den Bürgern die Möglichkeit, ihre Streitigkeiten ohne die Einschaltung des Gerichts zu regeln und somit unmittelbar vor Ort Frieden zu sichern und Rechtsklarheit zu schaffen", erläuterte der hessische Justizminister den Gesetzentwurf. „Bisher haben wir mit den Schiedsämtern, in denen engagierte Schiedsmänner und –frauen arbeiten, sehr gute Erfahrungen gemacht, die - wie wir hoffen - zur Vermeidung vieler Klagen vor den Amtsgerichten beitragen". Möglich bleibt aber auch die Inanspruchnahme einer freiwilligen Streitschlichtung, die es etwa bei verschiedenen Wirtschaftsverbänden (Kfz-Innung, Reinigungsgewerbe, Industrie- und Handelskammern etc.) gibt und nach deren Scheitern dann ebenfalls die Klage eingereicht werden kann. 

Vom Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Gesetzes an können Klagen zu den Amtsgerichten erst dann eingereicht werden, wenn bei einer anerkannten Gütestelle der Versuch unternommen worden ist, die Auseinandersetzung einvernehmlich beizulegen. 

Dies gilt dann für folgende Klagen: 

- vermögensrechtliche Streitigkeiten bis zu einem Wert von 1.200,-- DM, 

- Ansprüche aus § 906 (Einwirkungen auf Grundstücke), § 910 (Überwuchs), § 911 (Hinüberfall), § 923 (Grenzbaum) des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), 

- Ansprüche aus dem Hessischen Nachbarrechtsgesetz, soweit es nicht um einen Gewerbebetrieb geht, 

- wegen Ansprüchen aus Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in Presse und Rundfunk begangen worden sind. 

Voraussetzung ist zudem, dass beide Parteien im gleichen Landgerichtsbezirk wohnen oder hier ihren Geschäftssitz bzw. eine Niederlassung haben. „Wir wollen, dass bei dem Versuch der Streitschlichtung keine hohen Reise- und Verfahrenskosten entstehen", meinte Wagner dazu, „zudem setzen wir auf die örtliche Nähe der Schlichter, die oft über Kenntnisse verfügen, die Außenstehenden nicht so leicht zugänglich sind". 

Wird das Verfahren vor einem Schiedsamt durchgeführt, so fallen in der Regel Kosten in Höhe von 20,-- bis 75,-- DM für das Verfahren an. Wichtig ist dabei noch, so betonte Wagner, dass vor den Schiedsämtern und den Notaren ein wirksamer Vergleich abgeschlossen werden kann, aus dem die Zwangsvollstreckung möglich ist, wenn er nicht freiwillig erfüllt wird. Zudem müsse jede nicht öffentliche Gütestelle eine Haftpflichtversicherung mit einer Mindestsumme von 500.000,-- DM nachweisen, bevor sie anerkannt wird. „Damit wollen wir auch die Parteien absichern, damit sie nicht unter möglichen Fehlern leiden müssen", unterstrich Wagner. Zudem muss jede Schlichtungsstelle eine Verfahrensordnung vorlegen, in denen die Rechte der Parteien geregelt sind. „Wir werden sehr darauf achten, dass es hier ein faires Verfahren gibt", meinte der Minister weiter. 

Nach der neuen Handhabung durch die hessische Regelung wird das Gesetz zunächst auf drei Jahre befristet. „Bis zu diesem Zeitpunkt können wir genügend Erfahrungen sammeln, um zu sehen, ob sich das Gesetz bewährt", sagte der Justizminister weiter. Da bisher in Deutschland keine Erfahrungen mit Pflichtschlichtungen bestehen, müsse man sehr genau beobachten, ob die Bürger die Gütestellen zur Schlichtung ihrer Auseinandersetzungen akzeptierten. 

Hinweis:  Der Bundesgesetzgeber hat durch die Schaffung des § 15 a EGZPO (Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung) für die Länder seit dem 1.1.2000 die Möglichkeit geschaffen, für bestimmte Verfahren vor der Verhandlung durch das Amtsgericht eine außergerichtliche Streitschlichtung verpflichtend vorzusehen. 

Ausgenommen von der obligatorischen Streitschlichtung sind Streitigkeiten in Familiensachen, Wiederaufnahmeverfahren, Urkunden- und Wechselprozesse, Klagen nach einem Mahnverfahren, Adhäsionsverfahren und Vollstreckungsverfahren.  

Beispiele für die Anwendung der obligatorischen Streitschlichtung sind: 

- Anspruch auf 800,-- DM aus Malerarbeiten in einer Wohnung, wenn der Maler im gleichen Landgerichtsbezirk wohnt, 

- Ansprüche aus einem Kaufvertrag über einen gebrauchten Computer von 500,-- DM, 

- Streit um den richtigen Grenzabstand eines Baumes zwischen zwei Nachbargrundstücken, 

- Beleidigungen oder Verleumdungen zwischen Bürgern in einem Landgerichtsbezirk. 

In Hessen gibt es neun Landgerichtsbezirke: Darmstadt, Frankfurt, Fulda, Gießen, Hanau, Limburg, Marburg, Kassel und Wiesbaden.  

   

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