Zum 1. Juli 2005 treten eine Reihe von gesetzlichen Neuregelungen in
Kraft.
1. Wirtschaft und Finanzen
1.1 Neues Energiewirtschaftsrecht führt zu Milliardeninvestitionen in
Anlagen und Netze
1.2 EU-weite Kontrollmitteilungen und Quellensteuer auf Zinserträge
1.3 Mehr Anlegerschutz durch neue Richtlinie für Wertpapierprospekte
1.4 Kontrolle von Unternehmensabschlüssen durch das Bilanzkontrollgesetz
1.5 Pfandbriefrecht ermöglicht mehr Kreditinstituten Pfandbriefe
auszugeben
1.6 Neues Wettbewerbsrecht: Lockerung des Kartellrechts
1. Wirtschaft und Finanzen
1.1 Neues Energiewirtschaftsrecht führt zu Milliardeninvestitionen in
Anlagen und Netze
Mit dem neuen Energiewirtschaftsgesetz, das zum 1. Juli in Kraft
tritt, werden die EU-Stromrichtlinie und die EU-Gasrichtlinie in
nationales Recht umgesetzt. Das Energiewirtschaftsgesetz sorgt für mehr
Wettbewerb auf dem Strom- und Gasmarkt. Die Wettbewerbsaufsicht über die
Leistungsnetzbetreiber wird verschärft und die Liberalisierung des
Marktes forciert. Die Netzbetreiber werden verpflichtet, ihren
Wettbewerbern Zugang zu den Netzen zu ermöglichen.
Damit erhalten alle Strom- und Gasanbieter einen diskriminierungsfreien
Zugang zu den Netzen. Das Gesetz stellt somit die Weichen für sinkende
Netzentgelte.
Das neue Recht gibt der Branche Planungssicherheit - und macht damit den
Weg für Milliardeninvestitionen in die Infrastruktur frei. Die
Kraftwerks- und Netzbetreiber haben bereits Investitionen von rund 20
Milliarden Euro bis 2010 zugesagt: Für die Erneuerung der Netze und für
den Bau neuer Kraftwerke.
Die Novelle schafft die Arbeitsgrundlage für die "Bundesnetzagentur für
Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen". Die
Bundesnetzagentur wird als Wettbewerbsbehörde die Netzentgelte der
Strom- und Gasnetzbetreiber staatlich kontrollieren. Alle Betreiber von
Strom- und Gasnetzen müssen ihre Tarife für die Energiedurchleitung
zukünftig der Bundesnetzagentur zur Genehmigung vorlegen. Sie
kontrolliert, ob die Betreiber ihre Entgelte auf Basis der Vorgaben für
die Kalkulation der Netzkosten korrekt berechnet haben. Außerdem sollen
Netzbetreiber und Energieanbieter sowohl rechtlich als auch operationell
getrennt werden. Damit soll garantiert werden, dass der Netzbetreiber
gegenüber allen Transportkunden neutral ist.
Die Länder werden an den Regulierungsaufgaben beteiligt, sofern es sich
um Energieversorgungsunternehmen mit weniger als 100.000 Kunden handelt
und deren Leitungsnetze die Landesgrenzen nicht überschreiten.
Die Bundesnetzagentur erhält mit dem Gesetz den Auftrag, in den nächsten
12 Monaten ein für Deutschland geeignetes Modell für die so genannte
Anreizregulierung zu erarbeiten. Mit der Anreizregulierung sollen
Netzbetreibern Anreize zur Kostensenkung gesetzt werden.
Die Rechte der industriellen, gewerblichen und privaten Verbraucher
werden durch jederzeitige Beschwerde- und Klagemöglichkeiten, die auch
für Verbraucherverbände gelten, maßgeblich gestärkt.
1.2 EU-weite Kontrollmitteilungen und Quellensteuer auf Zinserträge
Um grenzüberschreitende Steuerflucht effektiver bekämpfen zu können,
einigten sich die Finanzminister der Europäischen Union auf die
EU-Zinsertragsteuerrichtlinie. Ab dem 1. Juli werden Zinserträge aus
Auslandseinlagen von Privatanlegern steuerlich besser erfasst. Die
EU-Zinsrichtlinie wird mit diesem Stichtag in allen 25
EU-Mitgliedstaaten verbindlich angewandt.
Durch automatischen Informationsaustausch wird sichergestellt, dass
Anleger Steuern zahlen, auch wenn sie im Ausland Kapitalerträge
erzielen. Dies sichert dem Staat und den Bürgern Steuereinnahmen, die
für wichtige Investitionen wie z.B. in Infrastruktur und Bildung
notwendig sind. Durch die vereinbarten Regelungen wird Schluss gemacht
mit der Steuerhinterziehung bei Zinserträgen in Europa.
22 EU-Staaten versenden ab dem 1. Juli automatisch Kontrollmitteilungen
über Zinserträge von Anlegern aus anderen EU-Staaten an die heimischen
Finanzbehörden.
Nur die drei Länder Österreich, Belgien und Luxemburg erheben
stattdessen während eines Übergangszeitraums bis zum 31.Dezember 2010
eine Quellensteuer auf die von dieser Richtlinie erfassten Zinserträge.
Die Einnahmen aus dem Quellensteuerabzug werden dabei zwischen dem
Staat, der die Quellensteuer erhebt und dem Wohnsitzstaat des
Steuerpflichtigen aufgeteilt. Österreich, Belgien und Luxemburg können
jedoch Auskünfte aus dem automatischen Verfahren der übrigen 22
Mitgliedstaaten erhalten.
Anleger, die voll in Deutschland steuerpflichtig sind, erhalten über die
abgeführte Quellensteuer eine Steuergutschrift. Damit wird sicher
gestellt, dass keine Doppelbesteuerung erfolgt.
1.3 Mehr Anlegerschutz durch neue Richtlinie für Wertpapierprospekte
Für Wertpapiere, die öffentlich gehandelt werden oder zum Handel
zugelassen werden sollen, muss ein Prospekt veröffentlicht werden.
Dieser dient insbesondere dazu, die Interessenten zu befähigen, die
Risiken der Wertpapieranlage abzuschätzen.
Zum 1. Juli wird mit dem Prospektrichtlinie - Umsetzungsgesetz eine
EU-Richtlinie zu Wertpapierprospekten in nationales deutsches Recht
umgesetzt.
Die Schwerpunkte des Umsetzungsgesetzes sind im Einzelnen:
Neues Wertpapierprospektgesetz
Mit dem Umsetzungsgesetz wird ein neues Gesetz geschaffen: das
Wertpapierprospektgesetz. Die bisherige Differenzierung der Prospekte,
ob ein öffentliches Angebot von Wertpapieren oder eine Börsenzulassung
erfolgen soll, entfällt.
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht als zentrale
Prüfungsstelle
Damit wird auch die bisherige zersplitterte Zuständigkeit bei der
Prospektprüfung beendet. In Zukunft werden nicht mehr die einzelnen
Börsen die Prospekte prüfen. Dies übernimmt statt dessen die
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Sie wird damit zur
zentralen Prüfstelle. Das gilt für öffentlich angebotene Wertpapiere als
auch für solche, die zur Börse zugelassen werden sollen.
Der von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gebilligte
Prospekt findet in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union
Anerkennung.
Der künftige Prospekt setzt sich aus drei Teilen zusammen:
* dem Registrierungsformular - enthält Angaben zum Emittenten - das
heißt, zum Herausgeber des Wertpapiers,
* der Wertpapierbeschreibung - daraus kann der Interessent detaillierte
Angaben entnehmen,
* der Zusammenfassung - ein besonders wichtiger Teil. Hier werden dem
Anleger die wesentlichen Merkmale und Risiken hinsichtlich des
Emittenten und der Wertpapiere kurz und allgemein verständlich
dargestellt.
Deutsche Emittenten können wählen, ob sie einen Prospekt in deutscher
oder in einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache
erstellen wollen. Weiterhin werden die Gültigkeitsdauer der Prospekte
und das Ende der Nachtragspflicht zu den Prospekten klargestellt. Mit
dem Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz wird der EU-Binnenmarkt für
Wertpapiere unter Berücksichtigung des Anlegerschutzes und der
Markteffizienz vollendet. Das stärkt den Finanzstandort Deutschland;
Ausländische Anleger erhalten einen verstärkten Anreiz, ihr Geld in
Deutschland zu investieren.
1.4 Kontrolle von Unternehmensabschlüssen durch das
Bilanzkontrollgesetz
Mit dem bereits seit Jahresanfang geltenden Bilanzrechtsreformgesetz
und dem zum 1. Juli in Kraft tretenden Bilanzkontrollgesetz werden die
Unternehmensintegrität und der Anlegerschutz weiter gestärkt. Mit dem
Bilanzrechtsreformgesetz wurde die Unabhängigkeit der Abschlussprüfer
gestärkt und die Internationalisierung des deutschen Bilanzrechts
fortgeführt. Das Bilanzkontrollgesetz führt ein zweistufiges "Enforcement-Verfahren"
ein, um die Rechtmäßigkeit von Unternehmensabschlüssen zu kontrollieren.
Damit wird auf zahlreiche Bilanzskandale der letzten Jahre reagiert. Das
Bilanzkontrollgesetz stellt das Vertrauen in- und ausländischer
Investoren in die Verlässlichkeit von Unternehmensabschlüssen wieder
her. Mit dem neuen Bilanzkontrollverfahren werden die Abschlüsse
kapitalmarktorientierter Unternehmen bei Verdacht einer Unrichtigkeit
und auch ohne besonderen Anlass durch Stichproben überprüft. Dem
Enforcement unterliegen die Abschlüsse jener Unternehmen, deren
Wertpapiere an einer deutschen Börse zum Handel im amtlichen oder
geregelten Markt zugelassen sind.
Auf der ersten Stufe wird die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung
- eine privatrechtlich organisierte Institution - tätig, wenn
Anhaltspunkte für Bilanzfehler vorliegen. Anhaltspunkte können sich etwa
durch Hinweise von Aktionären oder Gläubigern oder durch Berichte der
Wirtschaftspresse ergeben.
Immer dann, wenn das Unternehmen nicht mit der Prüfstelle kooperiert
oder es aus anderen Gründen zu keiner einvernehmlichen Lösung kommt,
prüft auf der zweiten Stufe die Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht. Sie kann die Prüfung der Rechnungslegung
mit hoheitlichen Mitteln und - falls erforderlich - zwangsweise
durchsetzen.
Die Bundesregierung will bei aller notwendigen Kontrolle die Spielräume
und Innovationskraft der deutschen Wirtschaft - gerade auch des
Mittelstands - erweitern. Das Vertrauen in die Bilanzen und die Arbeit
der Abschlussprüfer soll gestärkt werden, damit nicht einige wenige
ganze Märkte in Vertrauenskrisen stürzen.
1.5 Pfandbriefrecht ermöglicht mehr Kreditinstituten Pfandbriefe
auszugeben
Ab dem 19. Juli 2005 wird ein neues Pfandbriefrecht gelten. Nach dem
Gesetz dürfen zukünftig alle Kreditinstitute, die bestimmten
Anforderungen zum Schutz des Pfandbriefgeschäfts genügen, Pfandbriefe
begeben ("begeben" bedeutet soviel wie erstellen und ausgeben). Nach
altem Recht durften Pfandbriefe nur von Hypothekenbanken, Schiffsbanken
und öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten begeben werden. Durch die
Öffnung für alle geeigneten Kreditinstitute wird der Wettbewerb im
Pfandbriefgeschäft zugunsten der Anleger gestärkt.
Erlaubnisvoraussetzungen sind unter anderem:
* ein Kernkapital der Herausgeber ("Emittenten") von mindestens 25
Millionen Euro,
* die Absicht des Emittenten, das Pfandbriefgeschäft nachhaltig zu
betreiben,
* der Nachweis, dass der Emittent über geeignete Regelungen und
Instrumente zur Steuerung auch der spezifischen Risiken des
Pfandbriefgeschäfts verfügt und
* die Erlaubnis zur Pfandbriefbegebung von der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht.
Ein Pfandbrief ist ein festverzinsliches Wertpapier, das als
besonders sicher gilt, da er mittelbar durch ein Grundpfandrecht (auf
ein Grundstück) oder durch Forderungen gegen die öffentliche Hand
gesichert ist. Der Pfandbrief ist ein weltweit gefragtes
Anlageinstrument; der deutsche Pfandbrief ist ein Vorzeigemodell an
internationalen Finanzmärkten. Er ermöglicht denjenigen, die den
Pfandbrief begeben, eine günstige Finanzierung und ist so von großer
Bedeutung für den Finanz- und Wirtschaftsstandort Deutschland. Über ein
Drittel der in Deutschland ausgegebenen festverzinslichen Wertpapiere
sind Pfandbriefe.
Für den Anleger sind Pfandbriefe günstig, da sie ähnlich sicher sind wie
Bundesanleihen, jedoch in der Regel eine etwas höhere Rendite bieten.
Der Anleger kann den Pfandbrief jederzeit verkaufen, das Geld ist also
flexibel verfügbar. Bisher kauften überwiegend institutionelle Käufer
wie Versicherungen und Rentenfonds Pfandbriefe. Sie sind aber auch für
private Anleger interessant.
1.6 Neues Wettbewerbsrecht: Lockerung des Kartellrechts
Das deutsche Wettbewerbsrecht wird mit der Novelle des Gesetzes gegen
Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) an europäisches Recht angepasst. Für die
Unternehmen bedeutet dies einen erheblichen Bürokratieabbau.
Die GWB - Novelle schafft ab 1. Juli das bisher geltende Anmelde- und
Genehmigungssystem für wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen ab.
Ersetzt wird dies durch eine Selbsteinschätzung der Unternehmen mit
einer nachträglichen Kontrollmöglichkeit durch die Kartellbehörden. Das
vereinfacht und entbürokratisiert die Rechtsanwendung.
Flankierende Maßnahmen stellen sicher, dass mit dem Systemwechsel kein
Verlust an Wettbewerbsschutz verbunden ist. Zudem wurden die
Schadensersatzregelungen verbessert und es können schärfere Bußgelder
bei Verstößen gegen das Kartellrecht verhängt werden.